Brauchtum der sorbischen Lausitz

Ein Fest bringt Hoffnung

Den Glauben lebt er mit seiner Familie jeden Tag. Vor dem Essen und vor dem Schlafengehen betet Katholik Christian Kochta (34) in Quoos bei Radibor mit seiner Frau Maria (33) und den Töchtern Helena (3) und Theresa (1). „Wir sprechen über Erlebtes. Wir bitten für unsere Mitmenschen, wir danken für den Tag und unser Leben“, erzählt der Familienvater. 

„Zu besonderen Anliegen fahren wir in den sorbischen Gebets- und Wallfahrtsort Rosenthal. Bitten und Danken gehören stets zusammen“, ergänzt Kochta. „Wir tragen den Glauben im Herzen.“ Seit 20 Jahren verkündet Christian Kochta als Osterreiter die frohe Botschaft von der Auferstehung Jesu. Seit 2012 ist er bei der Wittichenauer Prozession Kantor der Osterreiter seines Heimatorts Saalau. Vom elterlichen Hof in Saalau reitet er mit seinem Cousin Markus zusammen. 

Mehr als 350 Reiter

Wittichenau stellt die älteste und mit mehr als 350 Reitern größte Osterprozession in der Oberlausitz. Seit 1541 trägt sie die Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi am Ostermorgen in die benachbarte katholische Pfarrgemeinde Ralbitz. Die Prozession ist Glaubensbekenntnis und Verkündigung zugleich.

„Am Osterreiten teilzunehmen, ist für mich jedes Jahr eine große Ehre“, meint Christian Kochta, der als Elektriker im Tagebau Nochten arbeitet. 2003 ritt er an der Seite seines Vaters Johannes zum ersten Mal mit. Das war in jeder Hinsicht etwas Besonderes. „Vater ritt damals zum 25. Mal. Es war das einzige Mal, dass wir zusammen ritten“, erzählt der Sohn. Als Kind hatte er den Vater auf dem Pferd oft bewundert. Ein Stück des Wegs durfte er neben seinem Vater mitlaufen.

Putzen und striegeln

Vor seiner ersten Prozession war Christian Kochta sehr aufgeregt. Sein Onkel in Sommer­luga ließ ihn „probereiten“. Er lernte, das Pferd zu putzen, zu striegeln und ihm das Pferdegeschirr aufzuziehen. Auch am Tag der Prozession half ihm der Onkel. „Das Pferd, das ich reiten sollte, kannte noch keinen Sattel. So war es ziemlich unerfahren und unruhig. Spontan gab mir mein Onkel sein Pferd“, erzählt Kochta. In seiner Heimat Saalau gab es damals gleich mehrere Erst-Reiter.

Seine zweite bis vierte Osterprozession ritt Christian Kochta in Ralbitz mit. Von dort startet die größte rein sorbische Prozession. Die Ralbitzer Kollegen gaben ihm viele für ihn wertvolle Hinweise. Diese konnte er dann ab 2007 nutzen, als er wieder für seinen Heimatort Saalau in der Wittichenauer Prozession mitritt. 

Dass er sich für Saalau entschied, hat viel mit seinen Wurzeln zu tun. Denn in Saalau wuchs er auf. Bei einem Jugendabend der Wittichenauer Pfarrgemeinde lernte er seine Frau Maria kennen. Beide waren in der Dekanatsjugend aktiv. Ihre erste gemeinsame Reise führte sie zum Weltjugendtag 2016 nach Krakau. Mit einem Braška, einem traditio­nellen sorbischen Hochzeitsbitter, feierten sie 2018 ihre sorbisch-deutsche Hochzeit. 

2022 zog das junge Paar mit den Töchtern Helena und Theresa nach Quoos bei Radibor. Dort leben sie heute auf dem Mehrgenerationenhof der Schwiegereltern. „Wir können viel voneinander lernen. Wir sind sehr dankbar, miteinander leben zu können“, meint Maria Kochta, die als Grundschullehrerin in Hoyerswerda arbeitet.

„Wir sind sehr stolz“, sagt sie, „dass wir einen Osterreiter in der Familie haben.“ Ihr Großvater war früher selbst einer. 24 Mal ritt er in der Radiborer Osterprozession mit. Liebevoll toupierte er jedes Jahr die Pferde, schmückte sie mit roten Rosen, erinnert sich Maria. „Da war ganz viel Ehrfurcht, Ehre und Stolz dabei“, erzählt die Enkelin. Heute erlebt sie das Osterreiten in Saalau mit. 

Christian Kochtas Cousin Mat­thias Schweda kümmert sich darum, für die Prozession an Pferde zu kommen. Die Organisation ist gar nicht so einfach. Am Karsamstag bringen die Besitzer vier Tiere aus dem Erzgebirge nach Saalau. Schon an diesem Tag werden die Pferde intensiv geputzt, gestriegelt und vorbereitet. Am Ostermorgen selbst ist wenig Zeit dafür. 

"Diese Messe geht tief ins Herz"

Mit der Heiligen Messe in der Wittichenauer Pfarrkirche um fünf Uhr morgens beginnt für Christian Kochta das Osterfest. „Diese Messe geht tief ins Herz. Der kraftvolle Gesang berührt mich, das gemeinsame Gebet bestärkt mich“, erzählt der Familienvater. Die innere Vorbereitung auf Ostern ist ihm sehr wichtig. Das gesamte Jahr hindurch feiert er mit der Familie den Sonntagsgottesdienst. 

Auch die Beichte gehört für einen Osterreiter dazu. Ebenso der Gottesdienst am Palmsonntag, das Letzte Abendmahl am Gründonnerstag und die Leidensandacht am Karfreitag. „Ostern ist das höchste Fest für uns Christen“, sagt Christian Kochta. „Ostern kündet vom Sieg des Lebens über den Tod. Es kündet von Hoffnung, Freude, Zuversicht und Dankbarkeit. Jesu Auferstehung bringt Hoffnung in die Herzen.“ 

Impulse für das Leben

Umkehr, Enthaltsamkeit und Gebet prägen für Kochta die Fastenzeit. Zu Hause betet die Familie, in der Kirche nimmt sie am Kreuzweg teil. Zur Vorbereitung auf Ostern gehören auch die Fastenpredigten der sorbischen Priester. „Die Fastenpredigten geben uns viele Impulse: aus dem Leben und für das Leben“, meint Christian Kochta.

Zehn Jahre hat er sonntags als Küster in der Wittichenauer Pfarrkirche die Morgenmesse in sorbischer Sprache vorbereitet. Seit 2012 ist er Kantor der Saalauer Osterreiter. Vielfältig sind die Aufgaben eines Kantors. „Ich organisiere die Aufstellung der Osterreiter aus unserem Ort. Ich stimme die Lieder und Gebete an. Über Funk bin ich später in der Prozession mit den anderen Kantoren und dem Leiter der Prozession verbunden“, sagt Kochta. 

„Im Vorfeld proben wir in unserer Versammlung in Saalau die Lieder und Gebete. Sie sollen tief verinnerlicht sein. Wichtig ist mir auch die Betreuung der Erst-Reiter.“ Dieses Jahr reiten 21 Teilnehmer aus Saalau in der Prozession mit. Als Neuling mit dem typischen grünen Kränzel ist Johannes Szczepanski dabei. Der ältester Saalauer Teilnehmer, Benno Michauk, reitet in diesem Jahr bereits zum 45. Mal mit.  

Gegen 8.30 Uhr am Ostermorgen sammeln sich die 21 Saalauer an der Kapelle. Zuvor segnen die Ehefrauen ihre Männer in den Höfen aus. Für Maria Kochta auf dem Hof der Schwiegereltern in Saalau ist das ein berührender und bewegender Moment. Gerade das Aussegnungsgebet verbindet mehr denn je die Familie. Es ist die Bitte um einen guten Ablauf und um gesunde Heimkehr. „Es ist die Bitte um Gottes Gegenwart, Hilfe und Beistand“, unterstreicht Maria Kochta. 

„Diese Aussegnung gilt zugleich allen Osterreitern in der Prozession. Wir Frauen bitten darum, dass sie wieder gesund zurückkehren und sie mit Freude und aus dem Herzen heraus die frohe Botschaft über die Auferstehung unseres Herrn verkünden können.“

Andreas Kirschke